Erfolgsgeschichte

Mit 63 Jahren noch einmal auf Jobsuche – ein persönlicher Bericht

L. Müller* hat in seinem Leben schon als Kranführer, als Barmann und im Gotthard-Basistunnel gearbeitet. Mit 63 Jahren begab sich der gelernte Buchdrucker mit der Unterstützung des Lernwerks noch einmal auf Jobsuche – und wurde fündig. Für den Verein Lernwerk hat er seine Berufsgeschichte niedergeschrieben.


Meine Berufsgeschichte beginnt 1976. Damals absolvierte ich die Lehre als Buchdrucker – in jener Zeit ein hochangesehener und beliebter Beruf. Nach meinem Lehrabschluss war es mir aber nicht möglich, im Unternehmen zu bleiben, und so marschierte ich direkt in das Personalbüro eines grossen Ostschweizer Industriebetriebs und fragte nach Arbeit. Ich bekam eine Anstellung und arbeitete unter anderem als Hilfsmaler und Kranfahrer. Zweieinhalb Jahre später zog es mich wieder zurück in meinen angestammten Beruf. Zuerst war ich zufrieden, knapp zehn Jahre später verspürte ich aber den Wunsch nach Veränderung.

Vom Buchdruck zur Druckvorstufe

Ich nahm eine Stelle als Aussendienstmitarbeiter in einem Inserateunternehmen an. Einige Zeit später bot sich mir die Chance, eine kleine Druckerei zu übernehmen. Nach den unzähligen Telefonaten, die ich in meiner Zeit als Aussendienstmitarbeiter geführt hatte, eine willkommene Abwechslung. Aufgrund der prekären wirtschaftlichen Lage in dieser Branche musste ich meine Druckerei aber bereits nach dreieinhalb Jahren wieder schliessen.

Die folgenden Jahre hielt ich mich mit verschiedenen Jobs über Wasser: Ich habe als technischer Hauswart in einem Hotel gearbeitet, mich als Kellner und Barmann bewiesen und schliesslich zum Stanzmaschinenführer ausbilden lassen. In der Zwischenzeit eignete ich mir im Selbststudium den Umgang mit verschiedenen Grafikprogrammen an und besuchte anschliessend neun Monate lang mehrere Tage die Woche verschiedene Computer- und Softwarekurse.

Gerüstet mit neuem Wissen, machte ich mich auf die Suche nach einer Stelle in der Druckvorstufe. Als Sachbearbeiter in diesem Bereich habe ich Jass- und Tarotkarten sowie Etiketten und Digitaldrucke vorbereitet. Als meine Stelle gestrichen wurde, arbeitete ich eine Zeit lang in einer Papierfabrik als Portier und in der Produktion einer Medaillenfabrik.

Über den Gotthard-Basistunnel zum Lernwerk

Nach einer Kurzausbildung begann ich in einem Sicherheitsdienst zu arbeiten und nahm in der gleichen Firma zusätzlich eine Stelle im Kabelbau an. Ich riss auf der Autobahn beschädigte Kabel aus den Schächten und reparierte die defekte Beleuchtung in den Autobahntunneln rund um Zürich. Wir waren sogar sieben Wochen im Gotthard-Basistunnel unterwegs, um ein Kabelprovisorium zu entfernen – so durchquerte ich beide Röhren einmal vollständig zu Fuss.

Die Arbeit im Sicherheitsdienst und als Kabelbauer war körperlich anstrengend, zudem waren die Einsätze häufig nachts, und so musste ich die Firma nach einiger Zeit aus gesundheitlichen Gründen wieder verlassen. Erneut auf der Suche nach Arbeit, kam ich durch meinen RAV-Berater schliesslich in die Holzwerkstatt des Vereins Lernwerk. Neben der Arbeit in der Schreinerei absolvierte ich die wöchentlichen Bewerbungskurse und meldetet mich auf unzählige Stellenanzeigen – ohne Erfolg. Und so griffen mein Berater im Lernwerk und ich recht schnell auf eine altbewährte Methode zurück: Wie damals beim Ostschweizer Industriebetrieb bewarb ich mich blind – dieses Mal allerdings per Mail oder Telefon.

Mit neuer Energie wieder auf Jobsuche

Mit diesem Strategiewechsel kehrte auch meine Energie zurück, und ich bewarb mich im Lernwerk als Kurshilfe: Während zwei Halbtagen pro Woche unterstützte ich die anderen Teilnehmenden im Bewerbungsverfahren. Als Buchdrucker fühle ich mich in der deutschen Sprache zu Hause und konnte deshalb anderen Teilnehmenden helfen, die noch nicht so sprachsicher sind.

Nach einigen Wochen fand ich eine Stellenausschreibung für einen Offsetdrucker, allerdings in Bern. Ich meldete mich beim Stellenvermittler und fragte ihn, ob er nicht einen Job für einen Buchdrucker im Aargau habe. Ich sandte ihm meine Unterlagen und wartete – und war überrascht, als er mich einen Monat später anrief und mir mitteilte, dass er einen Interessenten im Aargau habe.

«Einem alten Hund kannst du keine neuen Tricks beibringen»
L. Müller

Wenn man einem alten Hund keine neuen Tricks mehr beibringen kann, dann muss man eben auf altbewährte zurückgreifen. Mit der Hilfe des Lernwerks habe ich meine «Methode» von damals modernisiert: Anstatt in ein Personalbüro zu marschieren, habe ich am Telefon die Initiative ergriffen, und nach einem Vorstellungsgespräch und einer Probewoche hatte ich einen unterschriebenen Vertrag. Und das notabene in derselben Branche, in der mein beruflicher Werdegang vor mehr als 40 Jahren begonnen hat.

L. Müller*

 

* Uns ist der Schutz der Teilnehmenden an Lernwerk-Programmen wichtig. Der Name ist der Redaktion bekannt.